PRISM lässt sich nicht mit Datenschutz und Verschlüsselung begegnen

In der Diskussion um die Überwachung von Verkehrsdaten und Kommunikationsinhalten fallen immer wieder Sätze wie: „Die vielen Daten, die täglich produziert werden, lassen sich doch gar nicht mehr auswerten.”
Dabei handelt es sich um ein fundamentales Missverständis:

Gerade durch mehr Daten werden die Datenberge durchsuchbar.

Anfang Mai war Big Data sogar dem Spiegel eine Cover Story wert. Wie nah der Artikel mit dem Untertitel „BIG DATA: Wie Staaten und Konzerne berechnen, was wir tun werden“ der Realität kommen sollte, wurde vermutlich auch seinen Autoren erst am 7. Juni klar. Seit jenem Freitag haben sich derartig die Ereignisse überschlagen, dass der Zeitraum von einem Monat mir unwirklich vorkommt.

Das Planungssystem zur Integration, Synchronisation und Verwaltung von Quellen (Planning Tool for Resource Integration, Synchronization, and Management – kurz: PRISM) der NSA und analoge Bestrebungen legen Datensammlungen an, deren Umfang kaum mit menschlichen Begriffen fassbar ist. OpenDataCity hat Angesichts des Vergleichs von Bundespräsident Gauck mit den Stasi-Aktenschränken den Platzverbrauch im Vergleich visualisiert. (/via Kraftfuttermischwerk)

Es geht bei diesen Datensammlungen nicht darum, Datensätze einzelner Personen zu durchsuchen. Vielmehr geht es zunächst um die Aufdeckung von Kommunikationsnetzen. Mit Hilfe statistischer Methoden wird der Datenhaufen dann untersucht – und in der Statistik gilt, dass das Ergebnis umso aussagekräftiger und zuverlässiger wird, desto größer die betrachtete Stichprobe ist.

Wenn also stimmt, dass mit dem 2001 bestätigten Echelon-System Kommunikation auf Schlüsselwörter hin untersucht wird  (im deutschen Wikipedia-Artikel werden als Beleg für diese Aussage jedoch Verschwörungs-Webseiten ausgewiesen), dann hilft die Statistik, die Qualität der Treffer zu bewerten. Handelt es sich also nur um einen Tweet, in dem sich jemand einen Spaß daraus macht „die Geheimdienste zu verwirren“, indem er die Wörter „Bombe“ und „Präsident“ einbaut, oder steckt tatsächlich etwas ernstes dahinter? Erst im zweiten Schritt geht es um die Inhalte. Mit der Privatheit der Dinge, die ich auf Facebook oder Twitter über mich schreibe, hat es also nichts zu tun.

Für die Untersuchung von Netzwerken kommt es dabei nicht auf die Inhalte an. Wenn ich ein Mal @saschalobo retweete, sagt das noch nichts aus. Wenn ich ihn aber regelmäßig retweete, ist es wahrscheinlich, dass seine Tweets bzw. seine Meinung für mich von Bedeutung sind.

Die Verschlüsselung von E-Mails mittels GnuPG hilft, die Inhalte der E-Mails zu verbergen. Dass ich mit bestimmten Menschen im Kontakt bin, ist aber auch weiterhin sichtbar. Das „Web of Trust“ hilft eventuell sogar dabei, den Beziehungen zwischen zwei Verschlüsselungspartnern einen Wert beizumessen. Etwa über die Anzahl der Signaturen eines Schlüssels oder die Anzahl derer, die sich mit denen des anderen Schlüssels überschneiden.

Den Menschen beizubringen, dass sie Verschlüsselung nutzen, ist natürlich nicht falsch – ich befürchte nur, dass die technischen Mittel auf Dauer eine falsche Sicherheit vorgaukeln. Wir müssen jetzt anfangen, die zugrundeliegenden gesellschaftlichen Probleme anzugehen und den Leuten beizubringen, dass sie sehr wohl etwas zu verbergen haben: ihre Privatsphäre. Und dass es kein guter Zustandsindikator einer freien Gesellschaft sein kann, wenn alle voller Selbstverständlichkeit behaupten, überhaupt nicht überrascht zu sein über das Ausmaß der Überwachung, über das Misstrauen der Staaten in ihre Bevölkerung und die Unkontrollierbarkeit der Geheimdienste.

Vielleicht sind Cryptopartys ja ein erster Schritt dort hin, wenn dort neben Tools auch über die Gesellschaft gesprochen wird.

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